Die Macht der Zellen
Dieses Buch ist meinen Enkelkindern gewidmet. Für Sonja, Irina und Emilian, die ihr bereits die Welt erkundet, und für dich, kleines Wunder, das noch im Mutterleib heranwächst.
Mit diesem Buch möchte ich euch die Hoffnung und das Wissen weitergeben, die nötig sind, um eine Zukunft mit CO2-freier Energie zu gestalten. Möge die Macht der Zelle euch inspirieren, unser wunderschönes Zuhause, die Erde, zu schützen und zu bewahren.
In tiefer Liebe und Zuversicht, euer Opa
Buchcover

Wenn Sie an "Regionalität" denken, kommen Ihnen wahrscheinlich Kartoffeln vom nahegelegenen Acker, Fleisch vom lokalen Bauern oder freilaufende, glückliche Hühner in den Sinn. Doch warum sollte dieses Bild nicht auch auf die Energieversorgung zutreffen? Damit regionale Energieanlagen, die sich in der Nähe der Verbraucher befinden, effizient arbeiten können, müssen die Stromverteilnetze entsprechend angepasst werden. Wie dies möglich ist, wird ausführlich im Buch beschrieben.
Die neue Perspektive
Die meisten regenerativen Energiequellen wie Windräder, Photovoltaikanlagen und Biomasse-Heizkraftwerke speisen ihren Strom in die bestehenden Verteilnetze ein, die ursprünglich für den Transport von Strom von den Kraftwerken über Hochspannungsleitungen zu den Verbrauchern konzipiert wurden. Diese Netze sind weder für die Integration noch für die Kapazitäten von erneuerbarem Strom ausgelegt. Bisher haben die Verteilnetze als Einbahnstraßen fungiert, indem der Strom ausschließlich von den Erzeugern zu den Verbrauchern floss. Mit der zunehmenden Zahl von Verbrauchern, die auch zu Erzeugern werden, steigt die Belastung der Verteilnetze deutlich an. Das bedeutet, dass eine erhebliche Erweiterung der Netze auf allen Spannungsebenen und bei den Umspannwerken erforderlich wird. Jedoch ist der Netzausbau kostenintensiv und zunehmend umstritten. Daher ist es sinnvoll, die Belastung der Netze zu reduzieren, indem der Strom möglichst vor Ort erzeugt und auch verbraucht wird.

Netze werden intelligent

Das Thema ist jedoch komplexer, als man denkt. Nur durch flexible Erzeuger und Verbraucher, präzise Lastflussberechnungen, Prognosedienste sowie eine intelligente Informations- und Kommunikationstechnik können Erzeuger, Energiespeicher und Verbraucher so koordiniert werden, dass die Netzbelastung gesenkt wird. Erste Untersuchungen zeigen, dass solche intelligenten Netze bis zu 30 % mehr regenerative Energie aufnehmen können als die derzeitigen Netze. Das ist die wahre „Macht der Zellen“, denn es bedeutet, dass der Netzausbau viel später notwendig wird. Gleichzeitig müssen einzelne Netzbereiche, auch Energiezellen genannt, entsprechend gemanagt werden. Hierfür bedarf es eines Managements, das Erzeuger, Verbraucher und Speicherbetreiber orchestriert. Wenn das Netz bereits einen Energieüberschuss hat, muss beispielsweise ermittelt werden, welche Speicher benötigt werden, und Investitionen gezielt dorthin gelenkt werden, wo man diese am meisten braucht. Bestehen weiterhin Energieüberschüsse, können diese einfach mit einer benachbarten Zelle ausgetauscht werden.
Regionalismus neu gedacht
Die Größe einer Energiezelle richtet sich nach den regionalen Gegebenheiten und ist weitgehend frei skalierbar: Sie kann ein autonomes Einfamilienhaus, ein Quartier, eine Siedlung, einen Stadtteil oder sogar eine ganze Kleinstadt umfassen. Diese Einheiten könnten ihren Strom zukünftig selbst erzeugen, speichern und an Nachbarn weitergeben. Strom aus dem übergeordneten Netz würden sie nur dann beziehen, wenn es erforderlich ist.Das Geniale an diesem Konzept, neben den reduzierten Netzausbauten, ist zweifach. Erstens dient jedes Windrad, jede Photovoltaikanlage oder jedes andere Element der regenerativen Energieerzeugung, das möglicherweise optisch störend ist, direkt zur Versorgung der örtlichen Verbraucher. Also profitieren jene Personen, die eventuell durch die Optik, Infraschall oder Ähnliches beeinträchtigt sind, unmittelbar von der Existenz dieser Anlagen. Zweitens bieten sich regional sehr unterschiedliche Möglichkeiten zur regenerativen Energieerzeugung an. In manchen Regionen könnten es Windparks sein, an anderen Orten bieten sich größere, günstig gelegene Flächen für Freiland-Photovoltaikanlagen an. Wieder woanders könnten Kleinwasserkraftwerke oder Strömungskraftwerke sinnvoll sein, während in ländlichen Bereichen Hackschnitzelkraftwerke zum Einsatz kommen könnten. Wichtig ist dabei, dass nicht nur der Strombedarf und die Elektromobilität vor Ort gedeckt werden, sondern auch die entstehende Wärme in Nahwärmeanlagen den Verbrauchern zur Verfügung gestellt wird.

Skeptiker mögen einwenden, dass in dieser Form nicht genügend Energie erzeugt werden kann, um unseren derzeitigen Verbrauch zu decken. Doch glücklicherweise erzeugen Wasserkraftwerke bereits jetzt fast zwei Drittel unseres Strombedarfs, und diese Energie wird bereits durch die bestehenden Netze transportiert. Das bedeutet, dass nur das restliche Drittel sowie ein zu erwartender höherer Strombedarf durch immer mehr E-Mobilität und Wärmepumpen mit diesen regenerativen Anlagen gedeckt werden muss.Insgesamt bietet das Konzept der „Energiezellen“ eine visionäre Lösung für eine nachhaltige und dezentrale Energiezukunft. Lokale Gemeinschaften können eine aktive Rolle in ihrer Energieversorgung übernehmen, indem sie ihren eigenen Strom erzeugen, speichern und verteilen. Dies stärkt nicht nur die regionale Unabhängigkeit, sondern fördert auch den effizienten Einsatz erneuerbarer Energien und die Reduzierung der Netzbelastung.